Bescheidenheit

Verhalten bei Vorstellungsgesprächen

Wie trete ich bei einem Vorstellungsgespräch auf?

Keine falsche Bescheidenheit bei Vorstellungsterminen

Eine Studie der FU Berlin förderte Erstaunliches zutage:
Fachliche Qualifikationen spielen hier nur noch eine untergeordnete Rolle, entscheidend ist das Auftreten des Bewerbers bzw. der Bewerberin vor dem künftigen Arbeitgeber. Die Ergebnisse der Studie stützen die Funktionalität von professionellen Bewerbungstrainings, in denen Bewerbungskandidaten lernen, sich sowohl gut zu verkaufen als sich möglichst auch gut durchzusetzen.
Für eine erfolgreiche Karriere seien neben Engagement und fachlichen Qualitäten Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstsicherheit und Durchsetzungsvermögen erforderlich. Auf dem Weg zu einer (neuen) Stelle ist das Vorstellungsgespräch meist die letzte Hürde.

Das Wissen um die Bedeutung des Vorstellungsgesprächs ruft bei den meisten Bewerbern Gefühle von Unsicherheit, Anspannung und Unruhe hervor. Professionelle Ratgeber empfehlen, sich diese Gefühle nicht anmerken zu lassen, da vom Bewerber ein selbstbewußtes Auftreten und eine aktive Gesprächsteilnahme erwartet würden.

In einer Studie an der Freien Universität hat die Psychologin Monika Sieverding nun untersucht, inwiefern eine souveräne Selbstdarstellung im Vorstellungsgespräch tatsächlich den Erfolg einer Bewerbung beeinflußt.

Die Studie bestätigt die Hypothese, wonach im Bewerbungsgespräch vorgeführte Selbstsicherheit mitentscheidend für den Erfolg einer Bewerbung ist.

Im Labor wurde eine Bewerbungssituation simuliert, in der 37 Frauen und eben so viele Männer einen schriftlichen Leistungstest, einen Vortrag zur Selbstdarstellung der beruflichen Situation sowie ein standardisiertes Bewerbungsinterview absolvierten.

Anhand einer Videoaufzeichnung wurde zum einen die Dauer des Vortrags zur beruflichen Selbstdarstellung sekundengenau ermittelt. Zum anderen wurde die Expressivität des Gesichts bei der Beantwortung der Frage "Welche Schwächen haben Sie?" von einer Psychologin und einer Ärztin beurteilt. Abschließend wurde jede Testperson auf einer 10-stufigen Skala danach eingeschätzt, wie erfolgreich er oder sie auf die Bewertungskommission wirkte.

Das Ergebnis der Studie:
Nur jede vierte Testperson nutzte die vorgegebene Zeit voll aus. Das Spektrum reichte von 50 bis 300 Sekunden; die durchschnittliche Rededauer betrug 3 min, 16 sek. Je länger ein "Bewerber" über sich selbst gesprochen hatte und je weniger Emotionen in seinem Gesicht abzulesen gewesen waren, umso erfolgreicher wurde er oder sie anschließend im Bewerbungsinterview beurteilt.

Dabei ist zu bedenken, dass die Bewertungskommission lediglich einen Ausschnitt aus dem Bewerbungsinterview und nicht die Selbstdarstellung beurteilte, d.h. sie wußte nicht, wie lange sich die Bewerber in der vorhergehenden Aufgabenphase vorgestellt hatten.

Ein Gradmesser für Selbstsicherheit ist offenbar die Sprechzeit des Bewerbers bzw. der Bewerberin bei der Selbstdarstellung. Unabhängig von den Inhalten beeinflußt sie das Urteil über sie oder ihn.

Signifikante Unterschiede zeigten sich übrigens in der Rededauer von Frauen und Männern. Männer redeten im Durchschnitt eine Minute länger als Frauen, nämlich 3 min, 42 sek, während Frauen nur 2 min, 50 sek, über ihre beruflichen Qualifikationen sprachen. Zurückzuführen ist dies laut Sieverding darauf, dass Frauen häufiger als Männer ihre Kompetenzen unterschätzen und das "Anpreisen" eigener Fähigkeiten als unangenehm, zum Teil sogar als "unwürdig" empfinden.

Diese Potentialunterschätzung und Bescheidenheit am falschen Platz trügen - neben den bekannten gesellschaftlichen Barrieren - möglicherweise dazu bei, daß Frauen seltener Karriere machten als Männer.

Zu einer erfolgreiche Karriere seien neben Engagement und fachlichen Qualitäten Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstsicherheit und Durchsetzungsvermögen erforderlich.

"Je mehr einer Frau solche Eigenschaften im beruflichen Selbstkonzept fehlen und je mehr sie diese Eigenschaften ablehnt, desto unwahrscheinlicher ist es, daß sie Karriere machen wird", so Sieverding.

Die Ergebnisse der Studie stützen die Funktionalität von professionellen Bewerbungstrainings, in denen Bewerbungskandidaten lernen, sich gut zu verkaufen und sich möglichst gut durchzusetzen.

 

Ob Personen, die im Bewerbungsgespräch selbstbewußt auftreten und den Eindruck eines "Weicheis" vermeiden, dann tatsächlich kompetenter und erfolgreicher sind als Personen, die über weniger Selbstsicherheit verfügen, steht auf einem anderen Blatt. Erste Untersuchungen scheinen eher darauf hinzuweisen, dass ein selbstbewußtes Auftreten im Bewerbungsgespräch wenig über die tatsächlichen beruflichen Kompetenzen eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin aussagt.

Literatur:
Sieverding, Monika: "Alle wahren Gefühle verbergen und mit fester Stimme und wohlformulierten Sätzen glänzen!" - Die Bedeutung von Selbstdarstellungsregeln im Bewerbungsinterview, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 44. Jg., Heft 3, 2000, 152-156

Näheres bei PD Dr. Monika Sieverding, Gastprofessorin am Institut für Arbeits-, Organisations- und Gesundheitspsychologie der Freien Universität Berlin,
Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin
Tel.: 030 / 838 55094
Fax: 030 / 838 54122
mosiever@zedat.fu-berlin.de
Quelle: Pressedienst Wissenschaft, Freie Universität Berlin