Verschlüsselungstechnik in Arbeitszeugnissen

Verschleierte Botschaften in Zeugnisabschnitten

Beredtes Schweigen, über den Klee loben, Auslassungen und andere Tricks

Positivskala

Das Beispiel für die Positivskala ist die oben schon angeführte Leistungszusammenfassung, die den Grad der Zufriedenheit benennt. Sie kann durch Einschränkungen (z.B. "im Allgemeinen") nach unten erweitert werden (so wird dann aus einer Note 4 schnell eine 5). Beliebte Einschränkungsformulierungen sind auch "im Großen und Ganzen", "in der Regel" oder "bemüht".

Leerstellentechnik (auch "beredtes Schweigen" genannt)

Auch der Verzicht auf eine erwartbare Aussage lässt tief blicken. Liest z.B. ein Kundenbetreuer in seinem Arbeitszeugnis "Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei", sollte er sich Gedanken machen, denn die Kunden werden nicht genannt, was nahelegt, dass sein Verhalten ihnen gegenüber möglicherweise weniger gut ausfiel.

Negationstechnik

Während im täglichen Sprachgebrauch (von Ironie einmal abgesehen) doppelte Verneinungen Aussagen verstärken (z.B. "nicht unwahrscheinlich" = sehr wahrscheinlich), werten sie in der Zeugnissprache ab. Somit ist ein "keinen Anlass zu Beanstandungen" gebendes Verhalten nicht gerade anerkennenswert.

Passivierungstechnik

Werden die Aussagen nicht als aktive Handlungen bezeichnet, lassen sie auf mangelnde Eigeninitiative schließen, z.B. "ihr übertragene Aufgaben führte sie zielstrebig aus".

Ausweichtechnik

Wird Unwichtiges oder Selbstverständliches gegenüber wichtigen Aussagen hervorgehoben, lässt dies erkennen, dass wichtige Aufgaben weniger zufriedenstellend erfüllt wurden. Würdigt man beispielsweise die "vorbildliche Pünktlichkeit" eines Abteilungsleiters, lässt dies erfahrene Zeugnisentschlüsseler tief blicken.

Widerspruchstechnik

Widersprechen sich bestimmte Zeugnisaussagen, ist jeglicher positive Eindruck dahin. Werden einem Mitarbeiter beispielsweise sehr gute Leistungen bescheinigt, aber kein Dank für die Mitarbeit ausgesprochen oder sein Ausscheiden bedauert, legt dieser Widerspruch nahe, dass der Mitarbeiter hier nachverhandelt hat, aber nicht alle wesentlichen Aussagen aufgewertet oder ergänzt wurden.

Reihenfolge

An sich ist dies keine Technik wie die oben erwähnten. Da es jedoch bei einigen Aussagen absolut erforderlich ist, eine Reihenfolge einzuhalten, kann bereits eine unübliche Reihenfolge einen Mangel bezeichnen. Auch unpassende Verschiebungen einzelner Bestandteile (beispielsweise die Beurteilung des sozialen Verhaltens vor der Leistung) weist auf Auffälligkeiten in diesem Bereich hin.

Mit diesem Wissen über Übersetzungsregeln "Zeugnissprache – Deutsch" fällt es doch gleich leichter, eine Formulierung wie "Sie suchte stets nach guten und preiswerten Lösungen. Die Erfolge sprechen für sich." als Note 5 bezüglich des Arbeitserfolges zu entlarven, denn hier sind gleich zwei "Gemeinheiten" eingebaut: Den zweiten Satz kann man an sich nur ironisch verstehen, außerdem wird die Leerstellentechnik eingesetzt: "... suchte stets nach guten und kostengünstigen Lösungen, fand sie jedoch nicht."

Sollten Sie unsicher sein, wie Ihr Zeugnis zu verstehen ist, sollten Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen – es gibt durchaus recht günstige Angebote – und die Investition kann lohnen.

Zeugnisabschnitte

Qualifizierte Arbeitszeugnisse enthalten üblicherweise folgende Abschnitte:

  • Überschrift(Arbeits-/Praktikums-/Zwischenzeugnis)
  • Einleitung (Frau/ Herr ... trat am ... in unser Unternehmen ein.)
  • Beruflicher Werdegang( Frau/ Herr ... war zunächst als ... und ab ... als ... eingesetzt.)
  • Beschreibung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit (Zu ihren/seinen Aufgaben zählte ...)
  • Leistungsteil (Leistungs und Erfolgsbeurteilung)
    • Arbeitsbereitschaft/"Wollen", (z.B. Frau/Herr ... war engagiert/ motiviert ...)
    • Arbeitsbefähigung/"Können" (z.B. Sie/Er war sehr belastbar und ausdauernd ...)
    • Fachkenntnisse/Weiterbildung (z.B. Sie/Er verfügt über fundierte Fachkenntnisse ...)
    • Arbeitsweise/-stil (z.B. Sie/Er führte die Aufgaben selbständig aus ...)
    • Arbeitserfolg/-ergebnisse (z.B. Sie/Er lieferte eine gute Arbeitsqualität...)
    • Konkrete herausragende Erfolge (z.B. Insbesondere im Bereich ... erzielte sie/er überdurchschnittliche Ergebnisse.)
    • Führungsleistung (z.B. Sie/Er motivierte Mitarbeiter zu guten Leistungen.)
    • Leistungszusammenfassung (z.B. Alle Aufgaben erledigte sie/er zu unserer vollen Zufriedenheit)
  • Verhaltensteil (Beurteilung des Sozialverhaltens)
    • Verhalten zu Internen (z.B. Ihr/Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei.)
    • Verhalten zu Externen (z.B. Geschäftspartnern und Kunden gegenüber trat sie/er höflich und gewandt auf.)
    • Sonstiges Verhalten/Ergänzungen (Sie/Er war vertrauenswürdig ...)
  • Schlussabsatz
    • Beendigungsformel (z.B. Herr/Frau ... verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch...)
    • Dankes-/ Bedauernsformel (Wir danken ihm/ihr für die guten Leistungen
    • Zukunfts- und Erfolgswünsche (Wir wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute.)
  • Unterschrift Zeugnisaussteller mit Rang- bzw. Kompetenzangabe
  • Ausstellungsdatum

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